05.07.2018
„Die Po­li­tik ist auf dem völ­lig fal­schen Trip“

FW-Chef Ai­wan­ger geht bei BDS-Wirt­schafts­emp­fang mit Mer­kel und Sö­der ins Ge­richt

 

„Wenn wir eine Regierung hätten, die mit 17 Handwerksmeistern und mittelständischen Unternehmern besetzt wäre, dann würde dieses Land besser regiert werden als von der Truppe, die wir jetzt vorne dranhaben“, kanzelte Aiwanger die Kanzlerin und Merkels Ministerriege nicht nur wegen ihrer „völlig verfehlten Asylpolitik“ ab. „Mittelstand vor Großkonzern, das Handwerk muss wieder goldenen Boden haben: Ohne euch würde dieser Staat den Bach runtergehen“, rief der Bundes- und Landesvorsitzende der Freien Wähler seinen Zuhörern im Festzelt zu.

Hubert Aiwanger hielt sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern kam nach einer kurzen Einleitung von Landrat Peter Dreier (FW) gleich zur Sache bei seinem knapp einstündigen und wiederholt mit Beifall quittierten Auftritt im Altfraunhofener Festzelt, das am Donnerstag freilich nicht ganz so gut besucht war wie in den beiden Vorjahren, als Markus Söder und Ilse Aigner am Rednerpult standen. Der neue Ministerpräsident und seine CSU-Mehrheit kamen bei Aiwangers Rundumschlag ebenfalls nicht ungeschoren davon – im Vergleich zur Generalabrechnung mit der Bundespolitik jedoch immerhin noch mit einem blauen Auge. So hielt der Chef der oppositionellen FW-Landtagsfraktion der Staatsregierung vor, beim Breitbandausbau den Anschluss verpasst zu haben, während er die von seiner Partei geforderte Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung als „Riesenbefreiungsschlag“ wertete: „Söder soll sich erst einmal um die Sanierung der Straßen kümmern, dann kann er zum Mond fahren“, machte sich Aiwanger zugleich über Söders angekündigtes Raumfahrtprogramm lustig.

Gar nicht lustig fand Hubert Aiwanger hingegen, wie die große Politik mit dem Handwerk und den mittelständischen Familienbetrieben umgeht, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens seien. Dennoch werde der Mittelstand als „Lastesel der Nation“ betrachtet und mit immer mehr Auflagen und Vorschriften belastet. Wenn dagegen ein großer Industriekonzern wackelt, „dann steht die Kanzlerin schon mit dem Geldkoffer parat“. Kein Wunder, so Aiwanger, denn Selbstständige und Mittelständler seien nun einmal staatstragend und brav: „Die müssen so viel arbeiten, die haben gar keine Zeit zum Demonstrieren.“ Wenn aber ein kleiner Unternehmer am Sonntag keine Zeit mehr habe, um mit seiner Familie aufs Volksfest zu gehen, weil er in seinem Betrieb noch die Bürokratie erledigen müsse, oder wenn auf dem Land Wirtshäuser geschlossen werden, weil sich niemand mehr die unbezahlbaren Investitionen aufgrund fragwürdiger Denkmal- und Brandschutzauflagen oder überbordender Hygienemaßnahmen leisten könne, „dann ist die Politik auf dem völlig falschen Trip unterwegs“.

Aiwanger dagegen propagierte „die Kultur der Selbstständigkeit“, die durch „das Denken in Generationen, das Engagement vor Ort und die Verantwortung für die Gesellschaft“ zum Ausdruck komme. Deshalb werde er „immer für den Mittelstand“ eintreten und alles unternehmen, „um den Selbstständigen mehr Ellbogenfreiheit zu geben“. „Der Mittelstand ist die verlässliche Kraft, da brechen keine Strukturen weg“, sagte Aiwanger, dessen Partei allein schon deswegen an der Seite des Mittelstands stehe, weil viele Ortsverbände darin verwurzelt seien. Entschieden wandte sich der FW-Chef daher gegen längere Ladenöffnungszeiten, die sich kein Familienbetrieb leisten könne, sowie gegen die ausufernde „Mindestlohnbürokratie der Frau Nahles“. Bäuerliche Familienbetriebe dürften gegenüber der Agrarindustrie keinesfalls ins Abseits manövriert und der freiberufliche Hausarzt nicht einer privatisierten Gesundheitsindustrie geopfert werden: „Wir müssen das Land zur Wirtschaftsregion der Zukunft machen, dort ist das Geld gut angelegt.“

Kein gutes Haar ließ Hubert Aiwanger auch an der „verfehlten Asylpolitik“ der Großen Koalition, „die unsere Gesellschaft spaltet“. Wer verfolgt gewesen sei und sich hierzulande zeitnah in den Arbeitsprozess integriere, der dürfe natürlich bleiben, „aber doch nicht alle und nicht unkontrolliert“. Aiwanger: „Wir müssen schon auch noch auf uns selber schauen, wo wir bleiben.“ Und mit Blick auf all die „Hint’ ummi“-Zentren, die gegenwärtig die politische Diskussion bestimmen, warf er die Frage auf: „Wer regiert denn dieses Land: ein paar Verrückte oder haben wir auch noch ein paar Vernünftige?“ Für Aiwanger stand jedenfalls fest: „Die Qualität dieser Politik bringt die ganze Republik in Schieflage.“